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Haarig: Im „Tatort: Rapunzel“ wird eine blonde Friseurstochter kahlgeschoren und totgefahren

Haarig: Im „Tatort: Rapunzel“ wird eine blonde Friseurstochter kahlgeschoren und totgefahren

Märchenmotive müssen oft als Horrorelemente herhalten, die vieldeutige Story um Rapunzel wurde schon zigmal verfilmt und von Disney sogar frisch verföhnt: Lass dein Haar herunter! Im Zürcher „Tatort: Rapunzel“ tanzt Vanessa (Elena Flury) mit ihrer Freundin Lynn (Elsa Langnäse) ausgelassen in einem Club und wirft ihr langes blondes Haar umher. Auf dem Nachhauseweg wird sie von einem Mann im Taxi entführt, in einen Bunker im Wald verschleppt, kahlgeschoren und auf der Flucht angefahren.

Am nächsten Morgen hängt sie aufgespießt in einem Baum in fünf Metern Höhe. Die Ermittlerinnen um Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) und Tessa Ott (Carol Schuler) finden heraus, dass Vanessa die Tochter eines Star-Friseurs (Bruno Cathomas) war, aber in der Perückenwerkstatt von Aurora Schneider (Stephanie Japp) gearbeitet hatte. Die Meisterin vermisst gerade ihren kompletten Vorrat an Echthaaren – offenbar ein kostbares Gut.

Der Autor Adrian Illien reist wie in der vielgelobten Serie „Davos 1917“ in die Kulturgeschichte und versucht, alle möglichen Aspekte zum Thema „Haare“ miteinander zu verknüpfen. So wird nicht nur das Rapunzel-Motiv bemüht, sondern auch die Tradition orthodoxer Jüdinnen erklärt, nach der Hochzeit einen „Scheitel“ aus Fremdhaar zu tragen, der natürlich koscher sein muss. Dabei stammen die Haare oft aus Indien, wie die Tote herausgefunden hatte – eine Firma namens „Hair Majestic“ betreibt hier einen illegalen Handel. „Die Haare der Armen schmücken die Köpfe der Reichen“, resümiert die stets kapitalismuskritische Tessa Ott, eine struppige Tochter aus reichem Hause. Das Kahlscheren wie das Verdecken der Haare von Frauen haben natürlich eine historische und politische Komponente. Die Perücken von Aurora Schneider wiederum sind meist für Krebskranke geschaffen. Haare können aber auch zu Reliquien von nahen Verstorbenen oder fernen Stars werden. Und nicht zuletzt dienen Haare als Beweismittel: Die verbliebenen blonden Strähnen der toten Vanessa weisen Spuren von Drogen auf. Auch die Ermittler leisten ihren haarigen Beitrag: Grandjean gesteht, dass ihre Mutter an Krebs gestorben war und zuletzt keine Haare mehr hatte. Ott erhält von ihrer erstmals auftauchenden Mutter (Babett Arens) den Rat, mal wieder zum „Couiffeur“ zu gehen. Sie verschafft ihr einen Termin bei Vanessas Vater. Innendienstler Noah Löwenherz (Aaron Arens) trägt neuerdings Haar unter der Nase, den Kolleginnen gefällt der Schnäuzer sogar.

Tatort mit Sinn für bizarren Humor

Die kurzen kulturellen Exkurse sind zwar nicht uninteressant, aber verbinden sich nicht schlüssig miteinander – eine plausible Geschichte wird nicht daraus. Zumal die Ballung insgesamt übertrieben und aufdringlich wirkt. In den Haaren stecke die komplette Seele, beteuert sogar ein seltsamer Kunde der Perückenmeisterin (Sebastian Rudolph), der behauptet, ohne Perücke könne er keine Versicherungen verkaufen. Da fährt sich der seelenlose Rezensent doch etwas ratlos über den kahlen Schädel, sucht nach einer originelleren Formulierung als „an den Haaren herbeigezogen“, findet aber keine bessere. Tobias Ineichen, ein erfahrener „Tatort“-Regisseur, der hier zum dritten Mal das Zürcher Duo in Szene setzt, hat keine Scheu vor effekthascherischen Thriller-Elementen, beweist dabei aber immer wieder seinen Sinn für bizarren Humor. Im Finale hangelt sich Vanessas Freundin Lynn auf der Flucht tatsächlich an einem großen Zopf an einem Turm herunter – da wird das Rapunzel-Motiv noch mal ganz neu gedeutet.

Tatort: Rapunzel. Sonntag, 15. Juni, 20.15 Uhr, ARD

Berliner-zeitung

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